Demokratische Schulen in Deutschland:
Erfahrungen am Beispiel der Demokratischen Schule X
Demokratische Schulen zeichnet die konsequente Einhaltung von zwei Grundsätzen aus: 1. das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und selbstbestimmtes Lernen, auf Selbstbestimmung und 2. das Recht auf gleichberechtigte Teilnahme an Entscheidungen im Schulalltag, auf Mitbestimmung. Seit 2010 sammeln Menschen an der Demokratischen Schule X in Berlin-Reinickendorf Erfahrungen mit der Umsetzung dieses Konzepts.
Uta Schilling
Über 10 Jahre Demokratische Schulen in Deutschland – das ist weit mehr als eine Aneinanderreihung von Zahlen und Ereignissen (siehe Seite 17). Es sind die Menschen und ihre Lebenswege, die dahinterstehen. Meine Tochter geht im zweiten Schuljahr an die Demokratische Schule X in Berlin. Immer wieder hört sie von anderen Kindern Kommentare wie: »An deiner Schule lernt man doch gar nichts« Sie nimmt es meist gelassen. »Ich lerne eben, was ich will«, antwortet sie dann selbstbewusst. Auch ich möchte an dieser Stelle versuchen, der Antwort auf solche und ähnliche skeptische Fragen näher zu kommen. Welche Erfahrungen gibt es eigentlich an Demokratischen Schulen? Welche Menschen lernen und arbeiten dort? Haben sich Demokratische Schulen etabliert, gewandelt, bewährt? Vor dem Hintergrund meiner eigenen Eindrücke und zahlreicher Gespräche mit Eltern, Schülern und Mitarbeitern der Demokratischen Schule X (DSX) möchte ich versuchen, einige Aspekte hiervon zu beleuchten.
Schüler und Eltern
Insbesondere in der Anfangszeit standen die Mitbegründer der Demokratischen Schule X in Berlin vor einer sehr brisanten Mischung an Schülern. »Am Anfang haben wir einfach alle genommen, die sich beworben haben«, schildert der Mitbegründer Jochen Benz die Situation im Spätherbst 2010. »Am Anfang war der Wunsch sehr groß, einfach nur zu helfen. Wir haben tatsächlich unheimlich schwierige Familiensituationen erlebt. Aber wir haben dann immer mehr gemerkt, dass darunter der Prozess gelitten hat, der Schule eigene Strukturen zu geben und sie von innen heraus stabil zu machen«. Nach dem ersten Schuljahr verließen einige dieser Schüler die DSX wieder. Gleichzeitig etablierten sich Institutionen wie die Schulversammlung und das anfänglich existierende kleinere Rechtskomitee immer besser, sodass sich die turbulente Anfangszeit im zweiten Schuljahr bereits entspannte. In dieser Hinsicht hat die Schule mit der Zeit gelernt, die eigenen Ressourcen realistischer einzuschätzen. Heute entscheidet an der DSX ein aus jeweils zwei Schülern, Mitarbeitern und Elternteilen zusammengesetztes Aufnahmekomitee anhand von Interessenbekundungsbögen und Infogesprächen darüber, wer zu einer oder zwei Probewochen an die DSX eingeladen wird. Das Interesse an Demokratischen Schulen wächst stetig, wobei Familien nach wie vor aus den unterschiedlichsten Gründen ihren Weg zu dieser Schulform finden.