Seelisch belastet oder kerngesund?
Kindergesundheit in Mehrkindfamilien
Obwohl der Gesundheitszustand der Kinder in Deutschland insgesamt sehr gut ist, spielen Gesundheitsförderung und Prävention in den letzten Jahren dabei eine entscheidende Rolle. Ein Schutzfaktor wird jedoch nur selten in den Blick genommen: das Aufwachsen mit Geschwistern.
Inés Brock
Wer den Forschungsstand zu Kindergesundheit, zu Mehrkindfamilien und das theoretische Modell der bio-psycho-sozialen Prägung der Persönlichkeit und der Resilienz zugrunde legt, kann einige belastbare Rückschlüsse ziehen, wie die seelische und körperliche Gesundheit von Kindern durch Geschwister gefördert und beeinflusst wird.
In der Strategie der Bundesregierung zu Förderung von Kindergesundheit, die von 2008 bis 2017 aktualisiert und erneuert wurde, findet sich jedoch noch kein Hinweis auf gesundheitsfördernde Aspekte durch Geschwister. Auch die Informationswebsite der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), »kindergesundheit-info.de«, hält seit 2014 unverändert ausschließlich Vorsichtsmaßnahmen für ältere Geschwister zum Umgang mit jüngeren bereit. Alle zugänglichen Studien zum Gesundheitszustand der Kinder (u.a. KIGGS von 2013) stellen fest, dass chronische Erkrankungen und psychische Auffälligkeiten zunehmen und 15 % der Kinder Übergewicht haben. Das Stichwort Geschwister findet sich auch dort nicht. Nach bisheriger Forschungslage kann bisher nur wenig dazu als gesichert gelten, weil der Parameter mit Geschwistern aufzuwachsen kaum Berücksichtigung findet. Dennoch kommt die Geschwisterforschung einhellig zu dem Schluss: »Geschwister zu haben kann als eine psychische Kapazität definiert werden, die als ein emotionales Kapital wirkt, das bei sozial relevanten Situationen abrufbar ist. Kinder stärken sich in Belastungssituationen gegenseitig und werden damit unabhängiger von der permanenten Zuwendung der Eltern (…) Ältere Kinder bieten für jüngere Geschwister eine emotionale Sicherheitsbasis, sie sind in Gegenwart des älteren explorativer, angstfreier und zeigen positive Attachmentqualitäten. Dabei unterstützt sie die Rollenübernahmefähigkeit und Perspektivenübernahmekompetenz untereinander.« (Brock, 2009) Aber es ist nicht nur die psychische Gesundheit für die man gesicherte Erkenntnisse ableiten kann, sondern auch für die körperliche Gesundheit gibt es einige Hinweise auf Schutzfaktoren.