»Nicht in Worte zu fassen!« – »So süß!«: Väter und Geschwister rund um die Geburt
Obwohl fast alle Väter bei der Geburt dabei sind, werden ihre Bedürfnisse selten in den Blick genommen. Mit unterstützenden Handlungen schieben sie Ohnmachtsgefühle beiseite und orientieren sich dann auf die Erstbegegnung mit dem Neugeborenen. Auch Geschwister profitieren davon, wenn sie bei der Geburt dabei sein können.
Inés Brock
Über das Erleben von Vätern und Geschwistern im Prozess der Familienerweiterung und insbesondere rund um die Geburt herum ist noch wenig bekannt. Die Geburt eines Kindes ist eines der intensivsten emotionalen Erfahrungen im Leben der meisten Familien. Es gibt jedoch sehr wenige Studien, die sich dem Erleben von Vätern während der Geburt ihres Kindes zuwenden, und nahezu kein fundiertes Wissen über die Gefühle und die Erfahrungen von Geschwistern, wenn sie die Geburt miterleben dürfen. »Der Mann als werdender Vater und als Partner spielt im psychosozialen Geschehen während der Schwangerschaft, während der Geburt und kurz danach sowie in der Wochenbettzeit eine wichtige Rolle – eine Rolle, die bislang jedoch wenig erforscht und in der praktischen Unterstützung der Paare kaum in den Fokus gerückt ist.« (Schäfer, Abou-Dakn & Wökel, 2008)
Die Grundlage der positiven individuellen Entwicklung eines Kindes ist die Bindungsqualität und Förderung in der Familie. Der Lebensbeginn und das Beziehungsklima in der Familie hat dabei eine besondere Bedeutung. Wenn in der Familie jeder mit seinen Bedürfnissen und Entwicklungspotenzialen wahrgenommen und gefördert wird, trägt das zum Gelingen dieser Übergangsphase bei. Dabei sind Väter durch ihre spezifische Rolle der Unterstützung und Stärkung der Mutter-Kind-Dyade mit dem Neugeborenen und in der erhöhten Fürsorge für die älteren Geschwister besonders wichtig.
Väterforschung
Bisher gibt es nur wenig deutschsprachige Forschung zur Wahrnehmung von Vätern in dieser existenziell bedeutsamen Familienentwicklungsphase. (Garstick, 2013; Dorsch, 2013) Es ist wenig bekannt, wie Väter die Geburt ihrer Kinder konkret reflektieren und was dazu beiträgt, dass dies als positive Erfahrung empfunden wird. Dabei ist es für die Väter wichtig, gut vorbereitet in die Geburtsbegleitung zu gehen, und die Unterstützung durch die Hebamme verbessert deren Wohlbefinden. »Als Einflussfaktoren auf die Qualität des Geburtserlebens konnten der Entbindungsmodus, das Auftreten von Komplikationen und notwendige medizinische Interventionen unter der Geburt, sowie psychische Gesundheit während der Schwangerschaft der Partnerin benannt werden. Ebenso waren Geburtserwartungen sowie die erlebte Unterstützung durch die Hebamme/n während der Geburt mit der Ausprägung des Geburtserlebens assoziiert.« (Dorsch, 2013)
Die höchsten Stresspegel erleben Väter bei einer operativen Entbindung als Notintervention. Erstaunlicherweise erhöhen Väter auf der anderen Seite auch das Risiko zu einer Entscheidung zum Kaiserschnitt. Ihre Angst und Ohnmacht bezogen auf die Gesundheit und das Überleben von Frau und Kind befördert die Entscheidung der Ärzte. (Odent, 2005)

In Deutschland begleiten fast alle Väter ihre Partnerinnen zur Geburt.
Fast alle Väter begleiten ihre Partnerinnen in Deutschland zur Geburt. Es erscheint somit als gesellschaftliche Norm für Väter bei der Geburt ihres Kindes anwesend zu sein. »Gleichzeitig besteht trotz der großen gesellschaftlichen Akzeptanz der Geburtsteilnahme des Mannes noch immer Unsicherheit über seine Rolle und Funktion bei der Entbindung … (Es gibt) … eine ausgeprägte Diskrepanz in den Rollenzuweisungen, die die Partnerinnen vornahmen, und dem Erleben der Männer selbst. Frauen erwarteten von ihrem Partner, dass er ihnen als Unterstützer (coach) zur Seite stehe, während die Männer sich selbst überwiegend in der Rolle eines Zeugens der Geschehnisse im Kreißsaal (witness) oder als Teil des Teams (teammate) sahen.« (Dorsch, 2013) Diese Unterscheidung, wenn sie vom Paar nicht zuvor ausführlich reflektiert und diskutiert wird, führt zu Missverständnissen und Irritationen.