Rechtssysteme an Demokratischen Schulen

Die Rechtstradition der umgebenden Gesellschaft findet sich häufig im Rechtssystem einer Demokratischen Schule wieder. Die Kenntnis unterschiedlicher Rechtstraditionen hilft, Missverständnisse zu vermeiden und die eigene Rechtspraxis zu hinterfragen.

Henning Graner

Nicht nur das Leben ist bunt, auch die Verhaltensweisen von Menschen sind es. Mit anderen Worten: Menschliches Verhalten ist so unvorhersehbar, dass man unmöglich auf jede denkbare und undenkbare Situation vorbereitet sein kann. Es kann mühselig sein, eine Kultur des Zusammenlebens an einer Demokratischen Schule zu etablieren. Gemeinsam beschlossene Regeln sollen die Grenzen dessen markieren, was in einer Schulgemeinschaft als akzeptabel gilt und was nicht. Doch können diese Regeln jemals vollständig sein, sodass sie jede Situation erfassen und jede Verhaltensweise eindeutig danach beurteilt werden kann, ob sie noch akzeptabel ist?

Viele Regeln entstehen erst durch bestimmte Vorkommnisse, die man in Zukunft vermeiden möchte. Hat ein Schulmitglied beispielsweise in der Bibliothek heißen Tee verschüttet, könnte eine Regel, die dies für die Zukunft ausschließen möchte, lauten: »In der Bibliothek darf kein Tee getrunken werden.« Man kann mit Sicherheit davon ausgehen, dass irgendein Schlaukopf mit heißem Kakao in die Bibliothek latscht und sich auf den Wortlaut der Regel beruft, in der schließlich nur von Tee die Rede ist. Das nächste Mal wird die Schulversammlung allgemeiner alle »Getränke« in der Bibliothek untersagen. Die Lösung, die die Schulversammlung hier gefunden hat, liegt in der Verallgemeinerung, in der Abstraktion.

Artikel weiterlesen?

Kauf die aktuelle Ausgabe oder schließ ein Abo ab, um alle Ausgaben zu lesen.

Du bist bereits Abonnent oder hast das Heft gekauft und besitzt ein Benutzerkonto?