Neun scheinbar gute Gründe für Kinderrechte – und dennoch plädiere ich dagegen!
Über Kinderrechte und ihre Aufnahme in das Grundgesetz diskutiert die Öffentlichkeit – seit Jahren. Noch ziert sich die Politik, will es scheinen. Während die einen es nicht abwarten können, sehen andere das skeptisch.
Ein Plädoyer von Bertrand Stern
Zur ersten Ausgabe des unerzogen Magazins, im Jahre 2008, schien es mir selbstverständlich, dass ich mich mit einem Beitrag einbringen möchte, der sowohl erziehungskritisch wie wegweisend sein sollte: einerseits für die aus meiner Sicht verkehrte, eben nicht einzuschlagende Richtung; andererseits für die prospektive Fragestellung, welcher Weg wohl der intelligentere sein könnte. Nun bat mich die Redaktion darum, diesen Beitrag nochmals abzudrucken; beim Durchlesen, viele Jahre danach, war ich überrascht, wie treffend die Argumentation war; und dennoch vermochte sie es nicht, bestimmte Prozesse zu verhindern, die inzwischen stattfanden und leider, aus meiner Sicht, die ganze Problematik noch viel tragischer erscheinen lassen. Es wäre allerdings töricht, ich würde an dieser Stelle wegen dieser Entwicklung der Trauer oder gar Verzweiflung verfallen, denn die Rückschau auf die letzten Jahrzehnte zeitigt auch Aspekte, die zum Optimismus veranlassen. Sollten einige Menschen die Botschaft verstanden und praktisch umgesetzt haben, indem sie jedweder vor allem behördlicher Übergriffigkeit, die ihren geliebten Nachwuchs treffen könnte, Paroli bieten? Indem sie dem angeblichen Wohlmeinen ein Wohltun entgegensetzen? Doch die gute Nachricht ist, dass dieser geleistete Widerstand, der vor Jahren so sinnlos erschien, plötzlich erfolgreich sein kann, wenn er konsequent und richtig begründet geleistet wird. In diesem Sinne wohnt also meinen damaligen Ausführungen doch eine Botschaft inne, deren auch heute noch gültige Inhalte immerhin zuversichtlich stimmen können.
Meinem leicht überarbeiteten und gekürzten Beitrag aus dem Jahr 2008 lasse ich einige Zeilen folgen, in denen ich mich kritisch mit bestimmten Entwicklungen der letzten Zeit auseinandersetze.
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Vor Jahrzehnten war auch ich einer jener »seltsamen« Vögel, die laut und deutlich Kinderrechte forderten – in Schriftform, in Vorträgen, in Seminaren, bei Kongressen. 1984 war ich Mit-Initiator der »Kinder-Doppelbeschluss« genannten »Initiative für den Frieden zwischen den Generationen«, mit welcher der Deutsche Bundestag als Legislative aufgefordert wurde, die gesetzlichen Missstände hinsichtlich der Rechte junger Menschen zu beheben. Ein Vierteljahrhundert später bin ich hinsichtlich der politischen Möglichkeiten etwas skeptischer: Sollten »wir« einen Wandel der Einstellung im zwischengenerationellen Verhältnis für erforderlich halten, wer oder was könnte »uns« davon abhalten, diesen Wandel konsequent zu leben? Diesen Wandel jedoch an (grund)gesetzliche Hoffnungen zu knüpfen, halte ich für eine Illusion.