Der IQ ist nur das halbe Bild oder: Kultiviere die Emotionale Intelligenz deines Kindes (Teil 2)
Diese Reihe beschäftigt sich mit den Entwicklungsstadien der Emotionalen Intelligenz von Säuglingen. Sie stützt sich auf eine lange Tradition der Forschung und klinischen Beobachtung durch Psycholog:innen und Psychiater:innen (aus psychoanalytischen und körperorientierten Psychotherapie-Disziplinen), darunter Wilhelm Reich, Alexander Lowen, Chris Campbell, Stanley Keleman, Margaret Mahler, Louise Kaplan und andere.
Robin Grille
Der erste Teil dieser Reihe beschäftigte sich mit der Überbetonung der Intelligenz und des Intelligenzquotienten (IQ), sowie dem Aufkommen und Erstarken der Bedeutung der Emotionalen Intelligenz. Es wurde erkannt, dass das Interesse an der emotionalen Entwicklung von Kindern an Popularität gewinnt und wichtiger ist, im Hinblick auf soziale Fähigkeiten, als der IQ. Psycholog:innen und Pädagog:innen sind heute bestrebt, das Konzept der Emotionalen Intelligenz zu definieren, Instrumente zu entwickeln, um sie bei Einzelpersonen zu messen (EQ), und ihre Eigenschaften sowohl Kindern als auch Erwachsenen zu vermitteln. Im Gegensatz zum IQ kann die Emotionale Intelligenz ein Leben lang erlernt und erweitert werden. Die Pflege der Eltern-Kind-Interaktion dient als wesentlicher Baustein der Emotionalen Intelligenz.
Die Entwicklung des Kerns, der charakteristischen emotionalen Zusammensetzung, vollzieht sich in Schichten etwa in den ersten sieben Lebensjahren. Die hier etablierten Muster sind nicht unbedingt in Stein gemeißelt, aber emotionales Lernen ist in dieser Zeit aufgrund der Offenheit und Verletzlichkeit eines Kindes am stärksten ausgeprägt. Wenn die emotionalen Grundbedürfnisse eines Kindes in jeder Phase erfüllt sind, wird die Grundlage für emotional intelligente Reaktionen gelegt, die später im Leben automatisch und spontan erfolgen. Auf der anderen Seite kann der Erwerb neuer Beziehungsfähigkeiten und emotionaler Kompetenzen im Erwachsenenalter oft ein mühsamer Prozess sein, der durch schmerzhafte Situationen ausgelöst wird.
Ich habe das erste von fünf Entwicklungsstadien der Kindheit, beschrieben, die in biologischen Veränderungen wurzeln und daher universell und nicht allgemein kulturellen Nuancen unterworfen sind. In jeder Stufe versucht das Kind (mit unserer Hilfe) eine bestimmte Entwicklungsaufgabe und emotionale Funktion zu meistern, die den Boden für das Selbstbild und spätere Beziehungen bereitet.
Während diesem ersten Ritus des Übergangs entwickelt das Kind auf seiner tiefsten, zentralen Ebene ein Gefühl von Selbstwert und Wert für das Leben. Dieses Entwicklungsstadium erstreckt sich vom zweiten Trimester im Mutterleib über die Geburt bis hin zu den ersten sechs Lebensmonaten und nennt sich »Das Recht zu existieren«.
Zweiter Ritus des Übergangs: Das Recht, zu brauchen
Was geschieht: Von unmittelbar nach der Geburt bis zum Alter von etwa 18 Monaten befindet sich der Fokus des Babys zur Bedürfnisbefriedigung im und um den Mund. Das Geschehen in dieser Zeit entfaltet sich um den Ausdruck des Bedürfnisses des Babys, sein Einfordern und Aufnehmen von physischer und emotionaler Nahrung. Des Babys Arme und Hände, seine Haut und vor allem sein Mund sind wunderbar lebendige Zentren des Bewusstseins, die es auf genussvolle Weise mit einer nährenden Welt verbindet. In dieser Zeit, in der das Baby immer noch so verletzlich und abhängig ist, befürworten viele Kulturen das Stillen nach Bedarf und das gemeinsame Schlafen. Das Baby wird selten abgelegt und bleibt in fast ständigem Körperkontakt mit einem liebenden Elternteil oder einem älteren Geschwisterkind, zumindest so lange, bis es Anzeichen zeigt, dass es krabbeln und laufen will.
Über die mechanischen und ernährungsphysiologischen Vorteile des Stillens hinaus gibt es auch psychologische und emotionale Vorteile, und die geistige oder energetische Nahrung, die aus dem liebevollen, warmen Kontakt zwischen Brust und Mund kommt. Leider kann die Babyflasche nicht die tröstende oder einzigartige Mutter-Kind-Berührung wiedergeben, die aus der direkten Intimität von Fleisch und Haut entsteht.
Unter den richtigen Umständen überflutet das Stillen das Baby mit einem glückseligen Gefühl der Ganzheit und Vollständigkeit. Ein ganzer Strom von Lustempfindungen pulsiert in seinem Körper, wenn sein starker Saugreflex mit dem erfüllt wird, wonach es sich von Natur aus sehnt. Auf diese Weise entsteht tief im Geist und Körper des Säuglings ein Speicher von Gelassenheit und Zufriedenheit, auf den später im Leben zugegriffen werden kann. Wenn diese einzigartige Mutter-Kind-Bindung nach den Bedürfnissen des Babys und nicht nach den roboterhaften Anforderungen des modernen Zeitplans geschieht, entsteht eine starke Schicht emotionaler Sicherheit und Zufriedenheit, die das Kind die Welt als einen freundlichen, nährenden und reichhaltigen Ort betrachten lässt.

Das Stillen überflutet das Baby mit einem glückseligen Gefühl der Ganzheit und Vollständigkeit.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) berichtet, dass das weltweite Durchschnittsalter der vollständigen Entwöhnung (definiert als vollständiges Aufhören des Stillens) vier Jahre übersteigt! In Breastfeeding, A Guide for Medical Professionals beziffert Ruth A. Lawrence diese Zahl auf 4,2 Jahre. Es ist offensichtlich, dass das Stillen eine lebenswichtige psychologische Nahrung bietet, die noch lange nach der ernährungsphysiologischen Notwendigkeit des Stillens vorhanden ist. Unsere überraschend frühen Entwöhnungsstandards bedürfen sicherlich einer Revision. Mit unserer westlichen Vorliebe für den vorzeitigen Abbruch der oralen Mutter-Kind-Bindung haben wir ein unnötiges und oft traumatisches Element des Kampfes und Herzschmerzes in den Entwöhnungsprozess eingeführt. Glücklicherweise bewegen wir uns zumindest in die richtige Richtung. Wir erleben eine wachsende Akzeptanz der bedarfsgerechten Fütterung, der späteren Entwöhnung (Die Weltgesundheitsorganisation, Laktationsexpert:innen und Kinderärzt:innen empfehlen die Entwöhnung mit zwei Jahren, vorzugsweise älter. Die sich verändernden Bedürfnisse des Kindes sind der verlässlichste Leitfaden.) und eine verstärkte professionelle Unterstützung durch Still- und Laktationsberater:innen.