
Überlegungen zum Demokratischen Klassenzimmer
Wissen ist dynamisch, verändert sich und sollte nicht als endgültig betrachtet werden. Diese Einstellung macht den Unterschied und kann ein Klassenzimmer, einen Hörsaal zu einem Demokratischen Klassenzimmer machen.
Will Curtis
Aus meiner Sicht hängt die Praxis Demokratischer Bildung von bestimmten Vorstellungen und Einstellungen der Teilnehmenden zu Wissen ab. Es ist schwierig, sich authentische demokratische Begegnungen im Klassenzimmer in Kontexten vorzustellen, in denen Wissen als fix, endgültig, sauber und vorhersehbar wahrgenommen wird. In einem Freirianischen Sinne kann Demokratische Bildung nicht sinnvoll sein, wenn Wissen die Domäne des »erfahrenen« Lehrers ist, der dieses Wissen in dem »guten« Schüler »anlegt«, der passiv alles auswendig lernt, was ihm vermittelt wird. Während es durchaus möglich ist, scheinbar demokratische Aktivitäten im Klassenzimmer zu veranstalten, sind diese isoliert, symbolisch und unaufrichtig ohne die Verpflichtung zu einer demokratischen Perspektive auf Wissen.
Gründlich Prüfen
Ich würde argumentieren, dass in einem demokratischen Klassenzimmer alle Akteur:innen Wissen als chaotisch, komplex, problematisch, unvollständig und zu erforschend wahrnehmen sollten (und dazu ermutigt werden sollten) ... Lernende (und Lehrende) sollten jedem Wissensanspruch gegenüber misstrauisch sein und jeden derartigen Anspruch einer gründlichen Prüfung und Kritik unterziehen.
Im demokratischen Klassenzimmer sollten die Teilnehmenden keine Ehrfurcht vor prestigeträchtigen Peer-Review-Artikeln haben und diese denselben Fragetechniken unterziehen, die sie auch bei einem Blog oder einem Wikipedia-Artikel anwenden würden. Faule Unterscheidungen, was gültige Wissensquellen sind und was nicht, sollten ständig hinterfragt werden. Bei der Bewertung geht es nicht darum, die Liste der Kritikpunkte des Lehrbuchs oder des Lehrenden durchzugehen. Lernende sollten das sein, was Postman und Weingartner als engagierte "Nonsense-Detektoren" beschrieben haben.
Vor allem aber sollten die Teilnehmenden ermutigt werden, sowohl individuell als auch kollektiv zur aktiven (Ko-)Konstruktion von Wissen beizutragen. Anstatt statisch und vorhersehbar zu sein, ist Wissen dynamisch und fließend – es entwickelt und verändert sich sowohl schrittweise als auch auf revolutionäre Weise. Statt sauber und eindeutig zu sein, ist es unordentlich, auf unsere realen und gelebten Erfahrungen bezogen und vorläufig. Es beginnt und endet nicht an den Wänden des Klassenzimmers. Die Lernenden sollten darin unterstützt werden, sich sicher im Umgang mit Ungewissheit zu fühlen – sich damit wohlzufühlen, dass es keine geradlinigen oder "richtigen" Antworten gibt. Sie sollten verstehen, dass eine sinnvolle demokratische Aktivität von der Risikobereitschaft in ihr abhängig ist. In einem Demokratischen Klassenzimmer sollten angewandte und analysierte anekdotische Beweise und spekulative Untersuchungen von gleichem oder größerem Wert sein, verglichen mit traditionelleren Formen von Beweisen und intellektuellen Aktivitäten.