Der Mann, der Kindern vertraute: Daniel Greenberg
Ein Bildungsgigant ist gestorben. Daniel Greenberg war Mitgründer der Sudbury Valley School und widmete sich unermüdlich sein Leben lang Bildung und Lernen. Lang leben die Lektionen, die er uns gelehrt hat!
Peter Gray
Daniel Greenberg (1934-2021) war der wichtigste Bildungstheoretiker in der Gruppe, die 1968 die Sudbury Valley School in Framingham, Massachusetts, USA, gründete. Er blieb der Schule bis an sein Lebensende als Mitarbeiter an der Schule erhalten. Im Laufe seines Lebens war er Autor oder Mitautor von mindestens 20 Büchern und unzähligen Aufsätzen. Ich habe noch nie jemanden gekannt, der sich mehr für eine Sache eingesetzt oder härter daran gearbeitet hat als Daniel Greenberg. Ich werde ihn Danny nennen, denn so haben ihn seine Schüler:innen (ab 4 Jahren), Kolleg:innen und Freund:innen immer genannt.
Danny hörte nie auf zu lernen, hörte nie auf, das Gelernte weiterzugeben, hörte nie auf, konventionelles Denken in Frage zu stellen, und wankte nie in seiner Hingabe an die Sudbury Valley School und die Schüler:innen, die während seiner 53 Jahre dort ein- und ausgingen. Er starb am 2. Dezember 2021, wenige Tage nach einer Reihe von Schlaganfällen. Um ihn trauern seine Frau Hanna (ebenfalls Mitbegründerin der Schule und lebenslange Mitarbeiterin), seine Kinder Michael, Talya und David, seine Enkelkinder und die vielen hundert Schüler|innen|Schülys, Eltern und Kolleg|innen|ys, die im Laufe seines Lebens von seinem Mitgefühl und seiner Weisheit profitierten.

Daniel Greenberg beim Unterrichten in der Sudbury Valley School.
Wenn ich Dannys Überzeugungen und Errungenschaften in einem Satz zusammenfassen sollte, dann wäre es dieser: Er glaubte an die Demokratie (er glaubte wirklich daran), er vertraute den Kindern (er vertraute ihnen wirklich), er spielte die Hauptrolle beim Aufbau einer Schule, die Kindern die Rechte und Privilegien der Demokratie gewährt, und er lehrte jede:n, der:die bereit war, zuzuhören, dass sie funktioniert und warum sie funktioniert.
Danny hat uns gezeigt, dass Freiheit in der Bildung funktioniert. Kinder müssen nicht zum Lernen gezwungen werden. Sie bilden sich selbst auf hervorragende Weise, wenn wir die Bedingungen schaffen, die ihnen das ermöglichen. Das ist keine Theorie mehr, sondern eine erwiesene Tatsache, was zum großen Teil Danny und den vielen anderen zu verdanken ist, die Sudbury Valley und später die vielen Demokratischen Schulen nach dem Vorbild von Sudbury Valley gegründet haben. Angesichts solcher Beweise ist es ein Verbrechen, dass wir in unseren herkömmlichen Schulen weiterhin Methoden des Zwangs und der erzwungenen Uniformität anwenden. Wir haben Danny nicht mehr, um dies der Welt mitzuteilen, also müssen wir anderen jetzt die Verantwortung übernehmen, und mehr.
Ich habe an anderer Stelle über Sudbury Valley geschrieben (u. a. in meinem Buch Befreit lernen), aber noch besser ist es, in einigen der aufgeführten Bücher von Danny darüber lesen. Hier eine Auswahl von Zitaten aus seinen Schriften und Vorträgen, die uns helfen zu verstehen, woher er kam und wohin er wollte:
Dieses Zitat aus einem Interview, das 2001 in der Zeitschrift Technos Quarterly, 10(#1), veröffentlicht wurde, beschreibt, wie er in seinen 20er Jahren als Dozent für Physik an der Columbia University begann, über das Problem der Bildung nachzudenken. »Es begann für mich wirklich, als ich an der Universität unterrichtete. Ich habe alle pädagogischen Tricks ausprobiert; ich habe versucht, sie zu unterhalten; ich habe alle möglichen Motivationstechniken angewandt. Ich hielt Vorlesungen, die mit stehenden Ovationen bedacht wurden, aber später, bei den Tests und Aufsätzen, wurde mir klar, dass die Studenten es einfach nicht verstanden hatten. Ich bin nicht zu ihnen durchgedrungen, und das war sehr frustrierend, sehr enttäuschend. Ich habe meine Kollegen darauf angesprochen, und sie sagten alle das Gleiche: ‚Mach dir nichts draus. Das sind die Kinder von heute. Sie arbeiten nicht hart, sie interessieren sich nicht für das Lernen und den Unterricht.‘ Aber ich weigerte mich einfach zu glauben, dass es die Schuld der Schüler war! Allmählich begriff ich, dass Lernen aus eigenem Antrieb geschieht, wenn die Kinder selbst motiviert sind. Man kann niemanden zwingen, etwas zu lernen – man kann niemandem etwas beibringen – er muss es lernen wollen. Und wenn sie lernen wollen, werden sie es tun.«
In einem Podcast-Interview im Jahr 2019 sagte er: »Für uns machte es überhaupt keinen Sinn zu denken, dass man Bürger der Vereinigten Staaten von Amerika schaffen könnte – Erwachsene, die das Land verstehen und respektieren, worum es geht – wenn man sie für die ersten 12, 16 oder 20 Jahre ihres Lebens in ein völlig autokratisches Umfeld steckt. Schulen werden wie eine Monarchie geführt ... Die Monarchie bestimmt die Regeln, die Monarchie verhängt Strafen, die Monarchie entscheidet, was sie für richtig hält, und man muss sich daran halten. Wenn man eine Schule schaffen will, die für Kinder geeignet ist, um in die amerikanische Gesellschaft hineinzuwachsen, muss sie jedem einzelnen Kind die gleichen Rechte geben wie Erwachsenen. Sie darf nicht zwischen Kindern und Erwachsenen unterscheiden.«

Daniel Greenberg, gezeichnet von Scott Gray.
Zu dem von den Medien geschilderten Problem, dass die Menschen in Amerika in Unkenntnis der demokratischen Grundsätze aufwachsen, schrieb er in seinem Buch Education in America (1992): »Obwohl ich voll und ganz zustimme, dass es ein Problem gibt, befürchte ich, dass das vorgeschlagene Heilmittel – mehr Unterricht über Demokratie – nicht besser ist als die Krankheit. Warum glauben die Menschen immer noch, dass die Lösung für reale Probleme darin besteht, über sie zu reden? Glaubt irgendjemand wirklich, dass man etwas wirklich Sinnvolles erreicht, wenn man Kinder einem weiteren Kurs unterzieht? Wir bringen unsere Kinder nicht einmal dazu, richtig zu lesen, zu schreiben oder zu rechnen, trotz endloser Stunden im Klassenzimmer. Sollen wir sie zu Verteidigern der Freiheit machen, indem wir den Lehrplan noch einmal anpassen?«
»Die einfache Tatsache ist, dass Kinder sich nicht für demokratische Prinzipien, politische Freiheit oder die Charta der Grundrechte engagieren, weil sie selbst nichts von diesen hochtrabenden Dingen in ihrem täglichen Leben und insbesondere in ihren Schulen erleben. Kinder haben keine Rechte in der Schule, sie nehmen weder an sinnvollen Entscheidungen in der Schule teil (selbst wenn diese Entscheidungen ihr eigenes Leben direkt betreffen), noch haben sie die Freiheit der Selbstbestimmung in der Schule. In der Tat sind die Schulen Modelle der Autokratie – manchmal wohlwollend, manchmal grausam, aber immer in direktem Widerspruch zu den Grundsätzen, auf denen unser Land aufgebaut ist.«
»Der Weg, um sicherzustellen, dass sich Menschen jeden Alters dem American Way verpflichtet fühlen, ist, sie zu vollwertigen Teilnehmern daran zu machen. Macht unsere Schulen demokratisch, gebt unseren Kindern Wahlfreiheit und die grundlegenden Bürgerrechte in den Schulen, und sie werden keine Probleme haben zu verstehen, worum es in diesem Land geht.«
Und schließlich dies, aus einer Erklärung anlässlich des 50-jährigen Bestehens von Sudbury Valley im Jahr 2018: »Es ist eine schöne Sache die Emanzipation der Kinder zu beobachten, und die Ergebnisse sind inspirierend zu erleben."«---- Amen dazu!
Dieser Artikel erschien im Blog Free to Learn der Psychology Today.
Literatur von Daniel Greenberg
Endlich frei!. Arbor, 2004
Mit Hanna Greenberg, Michael Greenberg, Laura Ransom, Mimsy Sadofsky und Alan White: Die Sudbury Valley School. tologo verlag, 2005
Ein klarer Blick. tologo verlag, 2006
Seine englischsprachigen Bücher sind im Sudbury Valley School Bookstore erhältlich.
Peter Gray
ist Forschungsprofessor für Psychologie am Boston College. Er betreibt den Blog Freedom to Learn für die Psychology Today. Er forscht und schreibt heute über das natürliche Lernen bei Kindern und die Rolle des lebenslangen Spielens. Er ist Autor des Buchs Befreit lernen.
Creative Commons, The Sudbury Valley School Press