Die Urformen der Kommunikation im Pränatalen Seelenraum des Ungeborenen (Teil 1)

Viele Angebote, die sich an werdende Eltern richten, beziehen sich auf die Geburtsvorbereitung und stellen die Geburt und die Mutter ins Zentrum ihres Anliegens. In dieser Trilogie werden Ansätze beschrieben, die einen anderen Fokus verfolgen – nämlich die verschiedenen Formen der Schwangerschaftsbegleitung, die das Baby und die Dimension des Ungeborenen in den Mittelpunkt stellen. Den Anfang dieser Reihe macht die Haptonomie.

Maya Kerpenisan

Das Ungeborene in den Mittelpunkt zu stellen, mag im ersten Augenblick provokant wirken, aber darin täuschen wir uns, denn natürlich ist dies ohne die fühlende, wachsende Feinsinnigkeit der Mutter (und des Vaters) nicht möglich. Die Urformen der Kommunikation im pränatalen Seelenraum des Ungeborenen widmen sich der weitestgehend unbeachteten Dimension des Babys, wenn es noch im Mutterleib ist. Sie zielen darauf ab, die wortlose Einsamkeit des Ungeborenen zu beenden. Und sie richten sich vor allem darauf, transgenerationale Themen, Ungesagtes, Ängste und Unbewusste Themen nicht mehr an die nächste Generation weiterzugeben, sondern zu heilen.

Dafür bedarf es eine kontinuierliche Hingabe während der ganzen Schwangerschaft. Wenn ich von Paaren, Müttern und Vätern spreche, beziehe ich mich selbstverständlich in erster Linie darauf, was wir im herkömmlichen Sinne unter Eltern verstehen. Ich habe sehr viele gleichgeschlechtliche Paare und auch schon Eltern mit Leihmutterschaft oder Eizellspenden begleitet und hoffe, dass niemand verletzt ist, wenn ich der sprachlichen Klarheit zuliebe von Müttern und Vätern spreche.

Im ersten Teil dieser Serie skizziere ich die Haptonomie. Der zweite Teil wird sich mit der faszinierenden Welt der Bindungsanalyse befassen. Die Mutter-Kind-Bindungsanalyse ermöglicht einen einzigartig differenzierten Einblick in den Erlebensraum des Ungeborenen. Den Abschluss bildet das Beleuchten der Aquatischen Begleitung von Schwangeren, die in besonderem Maße, die Erlebenswirklichkeit des Babys im Fruchtwasser in den Blick nimmt.

Wie war das eigentlich im Bauch?

Ich wünsche mir eine Welt, in der es für jedes Baby Wirklichkeit ist, dass Mama und Papa von Anfang an mit ihm in liebevollen Kontakt gehen. Eine Welt, in der sie eine tiefe Verbindung zur Babyseele aufbauen, die aus Gesten, Berührungen, Gesagtem und Ungesagtem besteht.

Wie war das eigentlich, als du noch bei mir im Bauch warst? Was hast du dort erlebt? Wie hat es sich angefühlt? Kannst du dich erinnern? Welche Farben hast du dort gesehen? Wie hat es geschmeckt? Hast du gespürt, wie verunsichert und verwirrt ich am Anfang war? Konntest du meinen Zweifel, meine Überforderung fühlen? Das tut mir immer noch leid, aber es hatte nichts mit dir zu tun.

Mit der Haptonomie können Eltern durch Berührungen eine tiefe Verbindung zum ungeborenen Baby eingehen.

Was hast du denn den ganzen Tag gemacht? Habe ich dich gut getragen? Hast du dich in mir wohl gefühlt? Welche Abenteuer hast du erlebt? Was hast du vermisst? Hast du schon in meinem Bauch gespürt, wie sehr ich dich Liebe?

Habt ihr solche Fragen euren Kindern auch gestellt? Habt ihr euch überraschen lassen, was sie darauf antworten? Wie wäre es wohl, wenn wir ganz natürlich mit unseren Kindern so sprechen würden, dass wir wie selbstverständlich annehmen, dass sie sich an die Zeit, die sie in uns gelebt haben, erinnern?

Wie wäre es wohl, wenn wir wirklich alle absolut ernst nehmen würden, dass diese Zeit im Mutterleib eine vollgültige Realität sind – eine »Wirk-lichkeit«, die ihre Spuren in jeder Faser und jeder Zelle hinterlässt und natürlich auch in unserer Seele? So jedenfalls sehe ich das im Konzept der organischen Erinnerung und im Konzept der »cell memory« gegeben. Schließlich verbringen wir alle mehr oder weniger neun Monate in dieser flüssigen, warmen, nährenden Umgebung: in der Gebärmutter unserer Mama.

Da wir während dieser Zeit nicht sprechen können und auch als Neugeborene nicht über Sprache im herkömmlichen Sinne kommunizieren können, fällt die Wirklichkeit und die Wahrheit dieser ersten Körperfühlsphäre immer wieder in einen Bereich, den wir achtlos außen vor lassen. Wir gehen achtlos daran vorbei, finden das höchstens süß, wir streicheln über den Bauch, wir freuen uns, aber es »erschließt« sich uns nicht. Wir lassen es im Nebel des Ungewissen und so fühlt es sich für die meisten von uns so an, als ob wir nichts darüber »wissen«. Das ist paradox und es ist ja vollkommen irr anzunehmen, dass wir an so eine, meist in paradiesisch ungestörter Wohligkeit verbrachte, neun Monate währende Wirklichkeit keine »Erinnerung« haben könnten. Sie drückt sich doch, egal, wo wir hinschauen, in ungestillter Sehnsucht nach diesem Zustand aus – in Sehnsüchten und in Sinnsuchen. Vor allem, wenn diese Zeit nicht ungestört oder sogar traumatisch gewesen ist. Es gilt heute als gesichert, dass die Spuren, die diese intrauterine Zeit in uns hinterlässt, unser ganzes Leben wirksam sind.

Jede Frau, jede werdende Mutter und jeder werdende Vater können den Kontakt zum Baby intensivieren. Dies ist vor, während und nach der Schwangerschaft möglich. Im ersten Teil dieser Trilogie geht es um die fühlende, spürende Kommunikationskunst der Haptonomie.

Haptonomie: Die »Haute Couture« der Schwangerschaftsbegleitung

Die Haptonomie wurde von dem Holländer Frans Veldman entwickelt. Veldman hat als Jude den Holocaust überlebt und während seiner Internierung und Deportation in einem Zugwaggon eine für ihn und die Haptonomie bahnbrechende und lebenswichtige Entdeckung gemacht. Wie kann ich mir durch bedingungsloses Vertrauen und mich in tiefster Liebe verbindend, in dieser lebensbedrohlichen erdrückenden Enge, Raum verschaffen? Raum, in dem ich über mich hinauswachsend kann? Raum, in welchem trotz der todbringenden Enge in diesem Waggon innerer Platz für uns alle entsteht? Raum, der mir Sicherheit eröffnet und mich rettet? Aus dieser Ur-Erfahrung heraus, seinem Überleben und aus jahrelangen Studien (als Mediziner war er Pulmologe) und Recherchen in indigenen Kulturen (vor allem in Afrika) kreierte er die Haptonomie: die Wissenschaft der Affektivität des zwischenmenschlichen Seins. Es ist essenziell wichtig diesen Entwicklungsursprung zu kennen, denn er macht deutlich, wie existentiell bedeutsam die Haptonomie für das Menschsein ist.

Wie der Name schon sagt, spielt unser Körperfühlsinn, die Haptik, dabei eine entscheidende Rolle. Veldman war ein Universalgelehrter. In seinen anspruchsvollen, tiefgehenden und differenzierten Ausbildungen legte er einen enormen Anspruch auf die Theorie und Wissenschaftlichkeit seines Ansatzes. Er erschuf ein komplett eigenes Vokabular und Repertoire, um der Einzigartigkeit der Synthese seiner Entdeckungen gebührend Ausdruck zu verleihen. Auch um Begriffe zu kreieren, die nicht schon in anderem Kontext gebraucht, verwässert oder abgenutzt waren.

In Frankreich, Holland, Belgien, der Schweiz und in Spanien ist die haptonomische Begleitung von schwangeren Paaren und ihren Babys populär und elitär. In Deutschland hat Dr. Mehdi Djalali die Haptonomie weiterentwickelt und schuf mit seiner ganz besonderen Art darin ein Alleinstellungsmerkmal. In den 21 Jahren, in denen ich schon mit der Haptonomie verbunden bin, habe ich das Glück und das Privileg genossen, beide Schwangerschaften haptonomisch begleitet zu haben und schmerzfreie, interventionsfreie, absolut autarke, intensive Geburten erlebt zu haben. Geburten, die dem Baby den Raum geben sich autonom zu gebären. Einzigartig und so wie es sein eigenes Tempo und seine eigene Wahrheit mit sich bringt.

Ich stand über zwanzig Jahre mit Dr. Djalali, der traurigerweise im letzten Frühjahr verstorben ist, im Austausch über die Phänomene und Auswirkungen der Haptonomie. Vor meinen Schwangerschaften war mir die Bedeutung und die Hochachtung, welche die Haptonomie der Dimension des Babys zollt, so noch niemals begegnet. Damals wurde mir bewusst, dass meine Erfahrung bedeutet, dass potenziell jede Frau Zugang zu dieser Babydimension haben kann, denn es sind Phänomene, die absolut jeden Menschen betreffen. Also habe ich damals den Entschluss gefasst, die komplette Ausbildung bei Frans Veldman als Haptopsychotherapeutin zu machen. Während der ersten Jahre der Ausbildung habe ich meinen größeren Sohn noch gestillt, und zum Examen hin war ich mit dem zweiten Baby schwanger. Es war eine wundervolle Erfahrung, dass ich mich nach jeder Seminarwoche auch mit Dr. Djalali über alle Themen austauschen, sie vertiefen und in der zweiten Schwangerschaft umsetzen und wieder als bestätigend und bestärkend mit unserem Baby und meinem Mann erfahren konnte.

Aber worum geht es bei der Haptonomie? Auf welche Art und Weise handelt es sich dabei um Kommunikation mit dem Ungeborenen?

Als Haptopsychotherapeutin begleitet Maya Kerpensian schwangere Frauen und ihre Partner:innen.

Es ist sehr schwierig, eigentlich unmöglich über die Erfahrungen der Haptonomie zu sprechen, ohne sie je am eigenen Leib erfahren zu haben. Obwohl es sich um urmenschliche, jedem zugängliche Phänomene handelt, haben wir uns so weit von unserem Spüren und Fühlen entfernt, dass wir unsere Fähigkeiten und vor allem die Fähigkeiten unserer Babys vergessen haben. Ja, manchmal erscheint es sogar so, als ob wir sie verloren haben. Aber sie sind da!

Die starke Präsenz der Väter ist ein Alleinstellungsmerkmal der Haptonomie

Die Haptonomie bietet eine kontinuierliche Begleitung in der Schwangerschaft, die aus festgelegten, in regelmäßigen Abständen erfolgenden Sitzungen bestehen. Im Idealfall beginnt die Haptonomie zum Zeitpunkt, wenn die werdende Mutter die Kindsbewegungen wahrnehmen kann. Da dies bei jeder Frau unterschiedlich ist, lässt sich hier nur eine ungefähre Orientierung geben. Meist finden die haptonomischen Sitzungen ab der 20. Schwangerschaftswoche in vierzehntägigem Turnus statt. Die Sitzungen durchlaufen mit Voranschreiten der Schwangerschaft eine stimmige Dramaturgie und Steigerung. In Synchronizität mit dem natürlichen Verlauf der Schwangerschaft werden die Paare in diesen Sitzungen angeleitet, wie sie mit dem Baby in einen einzigartigen, tiefen, fühlenden Kontakt gehen können.

Vor allem der Vater spielt in der haptonomischen Schwangerschaftsbegleitung eine Schlüsselrolle. Meines Wissens gibt es keine andere Schwangerschaftsbegleitung, die der Präsenz des Vaters so eine große Rolle einräumt. Er ist es, der, idealerweise täglich, mit Mutter und Baby in Kontakt geht. Er ist es, der über seine fühlenden Hände das Baby in diesen Kontakt einlädt. Er ist es, der die Mutter einlädt, sich innerlich dabei sowohl mit dem Baby als auch mit ihm zu verbinden.

Die Schwangere wächst dadurch zunehmend in ihrer Perzeption und Kommunikationsfähigkeit über sich hinaus. Die Sitzungen bauen aufeinander auf und ermöglichen so dem Paar, zunehmend in einen immer tiefergehenden Kontakt zu gehen. Zum Ende der Schwangerschaft ist die Beziehung zueinander, aber vor allem die zum Baby so tief, so klar, so stark, dass die Mutter unter der Geburt mit dem Baby vollkommen in Kontakt bleiben kann. Auf diese Weise wird es dem Baby möglich, sich autonom selbst zu gebären. Es ist nicht nur die Geburtsstunde des Babys, sondern im wahrsten Sinne auch die Geburt seiner Autonomie. Die Autonomie spielt in der Haptonomie ebenfalls eine bedeutsame Rolle. So wird zum Beispiel der Kopf des Babys nicht oder nur mit äußerster Behutsamkeit berührt, da die Haptonomie davon ausgeht, dass wir mit der Fähigkeit geboren werden uns zu »behaupten« und also selbstverständlich unser Haupt auch autonom balancieren und halten können. Es ist beeindruckend zu sehen, wie haptonomisch begleitete Babys von Anfang an in der Lage sind, ihren Kopf alleine zu halten, und was es für eine große Auswirkung auf die Entwicklung der Kinder hat, dass man ihnen von Anfang an so viel zutraut. Das man ihnen wirklich vertraut!

Was so einfach klingt, ist in Wirklichkeit, vor allem für die Eltern, ein bahnbrechender, transformatorischer, ja oftmals sogar ein initiatorischer Prozess.

Haptonomie en détail

Zu Beginn der ersten Sitzung geht es zunächst um eine Sensibilisierung. Das klingt eigenartig, weil wir uns alle sicher für total sensibel halten. Allerdings geht es bei der Haptonomie vor allem um die spezifische Qualität dieses Kontaktes. In der Haptonomie sprechen wir daher von »psychotaktilem Kontakt«. Dafür müssen die Paare zunächst mit aller Deutlichkeit den Unterschied einer haptonomischen Berührung zu allen anderen Berührungsmodalitäten ganz klar für sich fühlen. Sie müssen und dürfen diese Qualität entdecken, differenzierend erfahren, fühlend verstehen. Und dies ist eben eine absolut basale Kommunikation. Um diese Berührungsqualität in aller Ruhe und in geschütztem Rahmen zu erfahren, ist die Schwangere bis auf ihre Unterwäsche während der Sitzungen nackt. Dafür ist es notwendig, dass die Temperatur im Raum so warm ist, dass sie zu keinem Zeitpunkt friert oder fröstelt. Auch der Partner hat mindestens seine Unterarme frei, denn der Kontakt ist in jedem Falle ein inniger Kontakt von Haut zu Haut. Man muss diesen Kontakt selbst spüren und das Paar wird darin begleitet sich gegenseitig Feedback über die sich entwickelnde Qualität zu geben. Dieses Miteinander des Paares, was dann zu einem Miteinander in der Triade wird, ist jedes Mal einzigartig und für die Paare sehr bereichernd.

Schon ein Einzeller ist in der Lage sich in einem Milieu auszurichten, in dem er bestens wachsen und gedeihen kann. Wenn die Orientierung einem Einzeller so klar möglich ist, wie unfassbar stark muss dann diese »force de vie«, diese Lebenskraft, in jedem Baby sein? Wie kommt es, dass wir das vergessen konnten?

So dient also die erste Sitzung vor allem dem Entdecken. In den weiteren Sitzungen wird diese Kontaktqualität weiterentwickelt, so lange, bis das entsteht, was die Haptonomie den psychotaktilen Kontakt nennt. Diese einzigartige Qualität beeinflusst so Vieles. Vor allem der Tonus verändert sich stark. Die Paare erleben dadurch, wie nah sie dem Baby sein können. Sie lernen auf faszinierende Weise ihr Baby zu berühren und spüren, wie das Baby auf diese Art von Kontakt antwortet. Die Eltern lernen peu a peu, dass es nicht um ihr Tun, sondern um ihr Beim-Baby-Sein geht. Und was dieses Zusammen-Sein für eine unglaubliche Wirkung zeigt.

Wie kann man dieses sich immer mehr verfeinernde Kommunikationsnetz Menschen beschreiben, die dies nicht erlebt haben? Für mich gibt es da nur einen Weg. Ich bin selbst so erfüllt, so begeistert von diesen Erfahrungen, dass ich dafür »werbe«, Menschen regelrecht »verführe« und mit meiner Begeisterung schon viele Menschen inspiriert und begleitet habe.

Jedes Mal ist es wieder ein vollkommen eigener, einzigartiger Prozess. Die Geburten sind kraftvoll und meist interventionsfrei. Die Paare gehen gestärkt, selbstbewusst und »wissend« um die Kraft dieses Kontaktes in die Geburt. Sie sind beim Baby. Die Väter verfügen nach den Monaten der Haptonomie über ein mannigfaltiges Repertoire an Möglichkeiten, ihre Partnerin und das Baby zu begleiten. Väter sind bis zu täglich mit ihren Babys in diesem Kontakt. Sie befreien gemeinsam mit der Mama das Baby aus seiner intrauterinen Einsamkeit. Sie bauen schon in der Schwangerschaft eine Bindung auf, die während der Geburt wie unter »Beweis« gestellt wird.

Nach der Geburt hört die Haptonomie nicht auf …

Von Sitzung zu Sitzung wachsen alle Beteiligten über sich hinaus. Und ganz natürlich und selbstverständlich wird dieser haptonomische Umgang auch nach der Geburt fortgesetzt. Es ist immer faszinierend zu sehen, wie viel Anmut und Klarheit in dem Umgang mit den Hapto-Babys, wenn sie dann geboren sind, zu sehen ist.

Aber die offensichtlichen Aspekte sind nicht das Entscheidende. Das Entscheidende in der Haptonomie ist ihre Qualität. Die Qualität der bedingungslosen Liebe, die Qualität des bedingungslosen Vertrauens, dass durch sie entstehen und wachsen kann. Mir ist in den letzten zwanzig Jahren noch niemand begegnet, der diese Qualität nicht auch vermisst und sich für sich und für sein Baby nicht auch gewünscht hätte.

Ganz natürlich wird der haptonomische Umgang auch nach der Geburt fortgesetzt.

Die Haptonomie legt also ihren »Kommunikations«-Schwerpunkt auf das erstarkende Wachsen im fühlenden Spüren im Kontakt mit dem Baby. Daher ist diese Form der Kommunikation diejenige, die der Körperfühlsphäre des Babys von Anfang an den umfassendsten Respekt und authentischsten Ausdruck verleiht. Es ist ein tiefgehender Prozess, der auch den Umgang des Paares in ihrem Miteinander verwandelt. Schon häufig haben sich Paare an mich gewandt und nach ihren sehr positiven und transformierenden Erfahrungen mit der Haptonomie bei mir bedankt und gesagt: Du hast uns mit der Haptonomie vollkommen verändert. Ist dir klar, was du damit auch für uns als Paar getan hast? Das ist sehr bewegend, und: Ja, es ist mir bekannt! Es geht sogar so weit, dass die Paare sich vollkommen neu und anders ineinander verlieben und das ist völlig nachvollziehbar. Denn durch den psychotaktilen Kontakt wird eine hohe Dosis Oxytocin, also Liebeshormon, bei allen an dieser Triade Beteiligten produziert und freigesetzt. Dies ist insofern von großer Bedeutung, als dass ich mit Sicherheit sagen kann, dass die Paare, die sich während der Schwangerschaft mit Hingabe der Haptonomie widmen, tatsächlich im Umgang mit dem Baby sehr sicher sind und außerdem in hohem Maße viel weniger gestresst sind.

Somit ist die Haptonomie weniger eine Methode als eine alles umfassende Lebenseinstellung, eine Haltung dem Leben und sogar auch dem Tod gegenüber. Die Haptonomie ist permanent um ein hohes Ideal bemüht. Es geht während der Sitzungen auch immer wieder mal um Konfrontationen, aber nur, um über sie hinauswachsen zu können. Dies wird von den Paaren als sehr bestärkend, aber auch herausfordernd erlebt. Gerade in dieser liebevoll begleiteten Herausforderung wachsen die Paare, schaffen es sehr, sich aufkommenden Ängsten zu stellen und diese zu integrieren. Ich kenne niemanden, der diesem hohen Anspruch je vollkommen gerecht wurde. Aber das macht für mich zu einem großen Teil den Reiz der Haptonomie aus. Mit ihr kann man das Gute nah heranholen und muss dafür nicht nach den Sternen greifen. Frei nach dem Motto: Warum nach den Sternen greifen, wenn das Gute liegt so nah … In der Haptonomie greifen wir nach dem Besten in uns, Wir greifen nach den Sternen in uns, und die sind definitiv besser als »nur« gut!

Das Wunder der pränatalen Kommunikation

Wenn du in die tiefe bedingungslose Liebe und das Vertrauen zu deinem Baby investierst und dich diesem Prozess der wachsenden, unendlichen Liebe hinzugeben wagst, dann ist schmerzfreies, lustvolles Gebären möglich. Weil du dann in der Lage bist, dein Baby zu begleiten, sodass es sich autonom und einzigartig selbst gebären kann. Dafür ist Verbindung, Kontakt und Kommunikation während der Schwangerschaft die unerlässliche Voraussetzung. Bitte fühl dich nicht unter Druck, wenn du das alles in deiner Schwangerschaft nicht beherzigt hast. Wir alle haben das in dieser Ideal-Version nicht erlebt! Und: Es ist nie zu spät!

Wir können nämlich ausgesprochen viel tun, um uns zu öffnen. Und das zu jeder Zeit, aber ganz besonders während der Schwangerschaft, um dieser inneren Stimmung, dieser inneren Verbindung mit unserem Baby Gehör zu schenken. Diesen Kontakt mit unserem Baby zu nähren. Und ja, diese innere Verbindung ist die Ur-Form von Kommunikation. Ich halte es für sehr gefährlich und nachlässig diese Ur-Kommunikation zu missachten und gering zu schätzen, nur weil sie nicht an Universitäten gelehrt wird und so wundervoll ohne Worte auskommt.

Dieses Gebiet betrifft uns alle! Wir schaden uns und unseren Kindern damit, all das Kostbare dieses Wissens im Sumpf der Ignoranz untergehen zu lassen.

In der Begleitung mit meinen Klientinnen erlebe ich täglich das Wunder der pränatalen Kommunikation. Und das größte Wunder liegt wie bei jedem Wunder in dem, was wir mit dem Verstand nicht fassen, aber im Herzen fühlen und vor allem mit den Händen berühren können. Und mit diesem Wunder berühren und bewegen wir unser Innerstes, Intimstes. Und im Falle des größten Wunders, nämlich dem Leben selbst, lebt dieses Intimste aller Wesen, in uns. Untrennbar verbunden und dabei doch von Anfang an ein eigenständiges Selbst mit seiner eigenen, grenzenlos großen, wunderschönen Babyseele.

Das ist für mich Kommunikation, im eigentlichen Sinne. Communi-Care heißt: teilen, gemeinsam machen. Ich würde noch viel weiter gehen: Es heißt gemeinsam, in bedingungslosem Vertrauen sein!

Fazit

Ich bin mir bewusst darüber, dass in meinen Thesen für viele Menschen eine Provokation liegt. Ich kann das sehr gut verstehen und nachvollziehen. Ich wünsche mir aber vor allem, dass meine Thesen vielen Frauen, Paaren und Familien Lust machen, das unerschöpfliche Feld dieser feinen Kommunikationssphäre mit dem Ungeborenen zu entdecken. Ihr bedingungsloses Vertrauen dem Ungeborenen zu schenken und dadurch einen unbezahlbaren Schatz zu bergen, aus dem sie das ganze Leben mit ihrem Baby schöpfen können. Und dies gilt für das ungeborene Baby genauso wie für den Säugling, das Kleinkind, den Teenager und sogar noch darüber hinaus. Die innige Verbindung, die du mit deinem Baby im Mutterleib aufgebaut hast, ist für immer gültig. Sie ist die stärkste Basis für sein ganzes Leben, die du ihm geben kannst. Und dies gilt übrigens auch für seine ganze Lebensdauer.

Das »Seelenlied« der Himba

Die Himba sind eines der letzten nomadischen indigenen Völker der Welt. Wenn eine Himba-Frau beschließt, dass sie ein Kind empfangen will, dann setzt sie sich unter einen Baum und lauscht in sich hinein. Sie lauscht so lange, bis sie das »Seelenlied« ihres Babys, das durch sie geboren werden möchte, vernehmen kann.

Bei den Himba gilt als Geburtstag nicht der Tag, an dem das Kind geboren wurde oder der Tag, an dem es empfangen wurde, sondern der Tag, an dem das Kind zum ersten Mal als Gedanke im Kopf seiner Mutter war.

Wenn sie dann sein Seelenlied kennt, geht sie zu ihrem Mann und lehrt ihn das Lied. Wenn sie sich lieben, um das Baby zu empfangen, singen sie als Einladung gemeinsam das Seelenlied des Babys. Ist die Mutter dann schwanger, lehrt sie allen Frauen und Hebammen das Lied, sodass die Gemeinschaft das Lied zur Begrüßung bei der Geburt singen kann.

Widerfährt dem Kind etwas Schlimmes, macht es einen furchtbaren Fehler oder tut es etwas Wunderbares, dann wird sein Lied gesungen. Geht es durch die Riten der Pubertät oder heiratet, dann singen alle Menschen des Dorfes sein Lied, um seine Seele zu ehren. Auf diese Weise geht das Kind bis ins hohe Alter durch sein Leben. Wenn es aus dem Leben scheidet, singen alle zum letzten Mal sein Lebenslied.

»Ein Freund, so sagen sie, ist jemand der das Lied deiner Seele singt, wenn du selbst es vergessen hast.«

Maya Kerpenisan

betreibt on-und offline eine Privatpraxis für Prä-und Perinatale Psychologie. Sie hat bis zum Physikum Medizin studiert und durch ihr Erforschen im Bereich Embryologie und Embryogenese den naturwissenschaftlichen Grundstein für ihre Begeisterung für die Anfänge des Wunders des Lebens gelegt. Maya Kerpensian ist Diplompsychologin, Haptopsychotherapeutin, Bindungsanalytikerin und seit zehn Jahren mit aquatischer Körperarbeit tätig. Aus diesen drei Bereichen hat sie amniotic Bodyworks kreiert und ihren einzigartigen Ansatz: WombWisdom. Mehr unter: www.mayakerpenisan.com.

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