
Der Weg zur Anerkennung der Doula-Arbeit: Den eigenen Wert erkennen
Entdecke die Kraft der Doula-Arbeit, wie sie zu einem positiveren Geburtserlebnis und weniger Eingriffen führen kann. Lass dich durch die Welt der psycho-physischen Wechselbedingungen der Geburt begleiten und erfahre, wie viel Potenzial in der Zeit von Schwangerschaft, Geburt und frühester Kindheit für die psychische Gesundheit steckt.
Elisa Karpe
Als ich das erste Mal in meinem Psychologie-Studium von meiner damaligen Praxismentorin gefragt wurde, ob ich mir vorstellen könne, sie als Doula zu unterstützen, musste ich erstmal nachfragen, was denn eine Doula sei. Die altgriechische Übersetzung als »Dienerin der Frau« klang erstmal für mich wie ein unangenehmes Autoritätsgefälle, in dem ich definitiv nicht sein wollte. Aber mich machten die Studien neugierig, die auf ein positiveres Geburtserlebnis, weniger Interventionen und kürzere Geburtsdauer bei kontinuierlicher Betreuung hinwiesen und sich besonders positive Effekte bei vertrauten geburtserfahrenen Personen zeigten, welche nicht zum medizinischen Personal oder aus dem sozialen Umfeld der Frau stammten. Und da ich durch meine eigene Mutterschaft und meinem vorherigen Beruf als Physiotherapeutin Erfahrungen mit Grenzerfahrungen, Nacktheit, Berührung und Nähe sammelte, begleitete ich das erste Paar 2014 zur Geburt. Dieses hatte bereits eine schwierige Geburtserfahrung gemacht und war dementsprechend ängstlich. Wir kannten uns gut aus dem Geburtshypnosekurs und trafen uns einige Mal. Die Geburt verlief tatsächlich sehr leicht und ich fühlte mich wie ein Fels in der Brandung in den Momenten, als die Frau zweifelte und in alte Erfahrungen zurückzurutschen. Ich begriff, dass ich durch mein Da-Sein, meine eigene Entspannung, beruhigenden Worte und Gesten die gebärende Frau unterstützte, immer wieder gut bei sich zu bleiben und ihrem Körper und Baby zu vertrauen. Alle Beteiligten waren voller Dankbarkeit. Auch ich war im Liebes-Oxytozin-Rausch und merkte drei Tage später, wie ich einen Hormonabfall mit Erschöpfung hatte wie ihn eigentlich nur Frauen nach der Geburt kennen. Mir wurde klar, dass ich hier viel mehr als eine Dienerin gewesen bin. Vielmehr erkannte ich mich als eine Begleiterin, welche viele Emotionen mittrug, durchlebte und mit meiner Außenperspektive neue Möglichkeitsräume schaffte. Diese Erfahrung mache ich seitdem bei jeder Geburt.
Psychologische Betrachtung von Geburt
Später machte ich eine Doula-Ausbildung in Brasilien, begriff mich aber immer als Psychologin. beeindruckte vor allem, Potenzial in der Zeit von Schwangerschaft, Geburt und früh Kindheit für psychische Gesundheit steckt. Ich beobachte, dass Traum und Trauma nah beieinander liegen. Das liegt meiner Ansicht nach an den psycho-physischen Wechselbedingungen. Hirnphysiologisch betrachtet findet die meiste Aktivität unter der Geburt im Stammhirn, unserem animalischen und ältesten Gehirnbereich, statt. Von dort aus wird ein sensibles Hormonorchester während der Geburt dirigiert. Unser Großhirn, welches u.a. für Sprache und Entscheidungen eine entscheidende Rolle spielt, tritt normalerweise zur Geburt in den Hintergrund. Frauen unter der Geburt sind rein juristisch vermutlich deshalb nicht mehr geschäftsfähig. Auch unsere Gefühlserinnerungen wie Erfahrungen aus dem Säuglingsalter oder auch bei traumatischen bzw. hoch stresshaften Erfahrungen, unsere sogenannten Erinnerungen«, werden im Stammhirn bearbeitet und abgespeichert. Sie sind im bewussten und orientierten Zustand schwerer zugänglich als »Kalte Erinnerungen«. Dies wären bewusste Erinnerungen beispielsweise zu Raum und Zeit, welche im Großhirn abgespeichert werden.
Fühlt sich die Frau sicher und geborgen aufgrund innerer und äußerer Faktoren, gelingt ein stimmiger Hormoncocktail unter anderem aus dem Liebes-, Bindungs- und Wehenhormon Oxytozin und dem Glückshormon Endorphin, welches wie ein körpereigenes Opiat wirkt. Deshalb massiere ich gern mit wohltuender haltgebender oder muskellösender Berührung und unterstütze die Hormonausschüttung mit Entspannungstechniken.
Jedoch weiß ich auch, dass bereits verbale Ansprache dazu führen kann, dass Wehen schmerzhafter und länger werden. Kommen noch mehr Stressoren dazu, dann schüttet die Frau ebenfalls vermehrt Stresshormone für Kampf- und Fluchtreaktionen aus. Es droht die Gefahr eines typischen Teufelskreislaufs aus Angst– Schmerz flacher Atmung – Erschöpfung – Schmerzüberempfindlichkeit – Geburtsverlangsamung und Interventionsspiralen.
Typische Stressoren unter der Geburt
Typisch stressauslösend sehe ich den frühzeitigen Geburtsortswechsel aufgrund von Unsicherheiten zum Geburtsverlauf und dem Bedürfnis nach geburtserfahrenen Personen. Häufig ist dann noch kein Geburtsfortschritt erkennbar, wodurch die Frauen sehr frustriert und hoffnungslos werden können. Eine Doula gibt gerade in der Latenz- und Eröffnungsphase, da wo nur selten Hebammen bereits begleiten wollen, die nötige Sicherheit. Schließlich erhalten die gebärende Frau und ihr:e Partner:in häufig keinen Raum in der Klinik, in dem sich die Gebärende unbeobachtet und unbewertet fühlt oder sich zurückziehen kann. Feinfühlige Menschen spüren auch sehr häufig, wie es anderen Menschen geht. Sie spüren, wenn andere Menschen gestresst sind. Vielleicht bekommen das Gefühl verantwortlich für die Bedürfnisse Anderer zu sein oder spüren unter der Geburt Einsamkeit, Scham, Orientierungslosigkeit, Zeitdruck oder bereits das schlichte Gefühl, nicht willkommen zu sein.
Wenn der Körper kann, dann verzögert er die Geburt. Geburtsstillstände sind der Hauptgrund, warum interveniert wird.
Wenn ich als Doula begleite, dann sehe ich mich vor allem als eine Fürsprecherin nach innen Fokussierende und Mutmachende mit dem richtigen Maß und Einfühlungsvermögen, wann etwas zu viel oder zu wenig ist. Ich begleite darin, dass die Gebärende sich selbst gut spürt, um mit ihrem Baby und ihrem Körper ein gutes Geburtsteam zu bilden. Ich unterstütze außerdem ihr eigenes Glaubenssystem, um innere Kräfte zu aktivieren. Dazu hat mich die Placebo- und Nocebo-Forschung inspiriert. Spannend dabei finde ich, dass der Körper tatsächlich eigene Botenstoffe herstellen kann, die einen Heileffekt bewirken oder auch in die Gegenrichtung gehen können. Dafür ist es wichtig, dass ich die Schwangere und ihre:n Partner:in vor der Geburt intensiv kennenlerne und ich weiß, wovon sie überzeugt sind oder nicht. Vielleicht ist es auch sowas wie das Spirituelle Selbst, welches ich hier kennenlerne. Wir schauen uns dann gemeinsam an, woran die Schwangere glaubt, welche Ängste, Hoffnungen oder Überzeugungen sie hat. Welche Überzeugungen hilfreich für die Geburt sind oder eher hinderlich wirken könnten. Was könnte ein stimmiges Maß zwischen internaler und externaler Kontrollüberzeugung sein? Internal wäre für mich, sie darin zu bestärken, selbst an sich, ihr Baby und ihre Fähigkeiten zu glauben. External unterstütze ich sie, die Kontrolle abzugeben mithilfe von kraftspendender Symbolik und durch das Raum-Gestalten. Dazu ermutige ich: Sei dir bewusst, dass dein Körper auch während der Geburt ein sexueller, heiliger Ort ist, der dir gehört. Er ist vielleicht niemals im Leben so angreifbar wie während der Geburt deines Kindes.

Die Doula sorgt dafür, dass die Gebärende sich in einem wohltuenden Umfeld befindet.
Am Ende entscheidet sich, ob die gebärende Frau sich als kompetent, geliebt und selbstwirksam oder als hilflos, beschämt und abhängig erlebt. Hilfreich ist, wenn sie sich trotz ihrer geringeren sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten für ihre Bedürfnisse unter der Geburt verstanden, gesehen, angenommen und wertgeschätzt fühlt. Das gelingt vor allem durch vertraute Menschen, die zum einen die Frau bereits vor der Geburt kennengelernt haben und zum anderen weder Stress vegetativ übertragen zum Beispiel durch medizinische oder partnerschaftliche bzw. innerfamiliäre Verantwortung oder Verstrickungen tragen im systemtherapeutischen Sinne.
Ich gebe als Doula dem Wortlosen der Gebärenden das Wort und eine Stimme. Ich kenne ihre Geburtswünsche, spüre ihre Grenzen und ihr Potenzial.
Eigentlich verdeutlicht schon allein das Wort Hebamme das mütterliche Prinzip der Amme, welches es unter der Geburt schon immer brauchte. Leider tragen häufig allein die Hebammen die Verantwortung oder betreuen gerade mehrere Frauen gleichzeitig. Das Leistungsprinzip eines hochökonomischen Gesundheitssystems hinterlässt Druck, Stress und Zeitmangel. Stress führt auch zu mangelnder Empathiefähigkeit, was sich wiederum auf die Gebärende negativ auswirken kann. Die Gebärende ist in einem hoch vulnerablen, angreifbaren Zustand und kann sich schwerer gegen diese Einflüsse unter der Geburt abgrenzen. Dabei gilt gerade unter der Geburt »mothering the mother«, denn wer Liebe erfahren hat, kann sie auch leichter weitergeben. Wer Liebe erfährt, kann sich leichter anvertrauen, Bedürfnisse ausdrücken und letztlich in Schwellenerfahrungen, wie es die Geburt darstellt, vertrauensvoll loslassen. Eine Doula wirkt hier ähnlich wie bei einer Systemischen Therapie eine Aufstellung: Eine zusätzliche Person kommt als Unterstützerin mit in das System und es entsteht eine Gesamtentlastung bzw. können dadurch neue Möglichkeiten entdeckt werden.
Eine gute Basis und ein gutes Fundament führen zu Kraft und Vertrauen. Da wir in ständigen Wechselbeziehungen miteinander stehen, könnten wir im Idealfall Menschen leichter begegnen. Und das wäre auch hilfreich für alle Beteiligten. Das beginnt bei der Geburt, dass es die Erfahrung geben könnte von gegenseitiger Unterstützung und Wertschätzung, die Stimmung ist gelöster und wirkt sich wiederum auf die Gefühle der gebärenden Frau aus.
Anerkannt werden
Zurzeit mache ich neben anderen Doulas verschiedene Erfahrungen damit, ob Doulas in ihrer Arbeit anerkannt werden oder nicht.
Außerklinische Hebammen geben uns meist sehr wertschätzendes Feedback. Sie stärken uns den Rücken, weil wir uns gegenseitig unterstützen und entlasten.
In vielen Kliniken besteht seit den Corona-Jahren ein Rückschritt. Oft ist es nur noch persönliche Ansichtssache, ob eine Frau ihre Doula und ihre:n Partner:in zur Geburt mitnehmen kann. Es scheint vergessen worden zu sein, dass Geburt nicht nur ein körperliches Ereignis ist und emotionale sowie systemische Faktoren eine entscheidende Rolle auf den Geburtsverlauf spielen. Die WHO-Empfehlung, welche eine Doula als kontinuierliche Begleitung zusätzlich zum:r Partner:in zur Geburt 2016 empfahl, scheint nicht mehr wichtig genug. Dabei hätte es gerade in der Corona-Krise uns Doulas zur Geburt umso mehr gebraucht. Denn gerade in dieser Krise sind wesentliche bisherige Ressourcen der Familie bereits zusätzlich weggefallen und Familien waren häufig an ihrer psychischen Belastungsgrenze. Gerade Mütter hatten die Konsequenzen und Belastungen zusätzlich zu tragen. Es ist auch ein Rückschritt für die Frauenrechte. Es kommt zu kuriosen Szenen, die ich bis heute kaum begreifen kann. Während im Fußballstadion 5000 Fans ohne Maske ihre Testosterone hochpuschen, diskutiere ich an der Kreißsaal-Tür und bettle mit einem Paar, dass sie mich als Doula mit zur Geburt mitnehmen können. Frauen sind wieder mehr Willkür ausgesetzt, Ängste werden an der Türschwelle einfach weggewischt: »Sie brauchen keine Angst haben, jetzt kommen Sie doch mal [ohne ihre Doula] rein!«, nachdem meine Klientin gerade aufgrund schwieriger Vorerfahrungen einen Panikanfall hatte, und ich frage mich in dem Moment, ob jemals psychische Erkrankungen und psychologische Maßnahmen anerkannt werden.
Allein Depressionen und Angststörungen sind in unserer Gesellschaft psychische Volkskrankheiten und gerade hier vermute ich, könnte eine positiv erlebte Geburt ein Schutzfaktor sein. Sich nicht ausreichend unterstützt zu fühlen betrachte ich hingegen als einen starken Risikofaktor für vulnerable Menschen. Studien mit bildgebenden Verfahren zeigen, dass unser Schmerzzentrum aktiviert wird, wenn wir von anderen ausgeschlossen, abgelehnt oder beschämt werden. Diese Schmerzzentren verstärken vermutlich dann konsequenterweise die Schmerzwahrnehmung unter der Geburt, welche weitere mögliche Interventionsrisiken bürgen.
Gerade Depressionen sind bei einer befriedigenden Partnerschaft und einer guten sozialen Einbindung seltener. Partner beobachte ich mit einer Doula selbstbewusster und handlungsfähiger, was präventiv Partnerschaftskonflikte meiden könnte. Gerade in meiner psychologischen Tätigkeit entstehen häufig aufgrund schwieriger Geburtserfahrungen Schuldzuweisungen an den Partner.
Das interaktionelle Modell der Depression beschreibt Anforderungen, wie etwa eine Geburt, die von einer Person eine Anpassungsreaktion verlangen. Je nach einer günstigen oder weniger günstigen Passung tragen diese zu einer gelungenen Anpassung bei oder zum Entwickeln einer depressiven Reaktion.

Wertschätzung und Unterstützung wirken sich auf die Gefühle der Gebärende und damit die Geburt aus.
Es ist also nicht egal, wie wir unter der Geburt begleitet wurden und dass es nicht das alleinige Hauptziel sein kann, nur die körperliche Gesundheit von Mutter und Kind zu betrachten.
Ich frage auch eine andere Doula-Kollegin zu ihrer Erfahrung zur Doula-Anerkennung:
»Was deine Frage angeht – ich habe unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Manchmal habe ich das Gefühl, dass die Hebammen dankbar sind, dass ich da bin, und ein anderes Mal, dass sie gegen mich sind. Deshalb erwähne ich auch nicht unbedingt, dass ich eine Doula bin. Und ich versuche immer, den Eindruck zu erwecken, dass ich nicht viel Wissen habe, also stelle ich zum Beispiel Fragen, auf die ich die Antworten schon kenne, nur um das Ego des medizinischen Personals zu streicheln. Da das System patriarchalisch und hierarchisch ist, stehen Doulas natürlich immer ganz unten, vor allem als Einzelpersonen, die zum Beispiel nicht zum Krankenhauspersonal gehören.
Ich habe jetzt eine schwangere Klientin, bei der in der Hebammensprechstunde die Hebamme wirklich versucht hat, sie davon zu überzeugen, keine Doula zu nehmen, weil »sie da sind«. Ohne sie natürlich zu fragen, warum sie sich für eine Doula entschieden hat. Verrückt und unverantwortlich.« (Doula Arbel, Leipzig & Berlin)
Ein sich tragendes Unterstützungsnetzwerk
Was mich vor allem die Doula-Arbeit lehrt, ist die Erfahrung, dass eine Gebärende Frau immer in einem ganzen System ihre Erfahrungen gesammelt hat und aus diesen Wechselbeziehungen sich in dem Prozess der Geburt bewegt. So kann ich als angehende Systemische Therapeutin viele Parallelen ziehen und in meine Doula-Begleitung einfließen lassen.
Elisa Karpe
ist psychologische Psychotherapeutin i. A. für Systemische Therapie mit eigener Schwerpunkt-Praxis für Schwangerschaft, Geburt und erste Elternzeit. Sie begleitet Frauen und Paare als Doula seit 2014, bereitet sie mit Geburtshypnose auf die Geburten vor und begleitet bei schwierigen Erfahrungen und Krisen mit Babytherapie sowie Ressourcen- und Körperorientierter Krisenbegleitung®. Sie ist ehrenamtlich tätig beim Hilfetelefon Schwierige Geburt von Motherhood e. V. und ISPPM e. V. sowie einer Selbsthilfegruppe. Mehr unter www.pangea-praxis.de.
familytrubel.de