Selbstbestimmt Lernen im interkulturellen Kontext: Madrina Sophia e. V.

Das Recht von Kindern auf freie und selbstbestimmte Bildung, gewaltfreien Umgang in Deutschland und Lateinamerika, vor allem in Mexiko und Brasilien, und den interkulturellen Austausch voranzutreiben, hat sich der Madrina Sophia e. V. zur Aufgabe gemacht.

Ein Interview mit Aida S. Rodriguez, Vorsitzende des Madrina Sophia e. V.

Wie ist der Verein entstanden und durch wen?

Unsere Geschichte begann 2006 im Internet, genauer in einer Gruppe im damaligen StudiVZ. Ich hatte eine Gruppe gegründet, in der deutsch-mexikanische Paare sich über die interkulturellen Besonderheiten ihrer Verbindungen austauschen konnten. Dort lernten sich einige von uns, künftigen Gründer:innen, kennen und schätzen. Sehr schnell wurden aus dem digitalen Austausch, reelle Begegnungen, sowohl in Mexiko als auch in Deutschland, und intensive Freundschaften entwickelte sich.

2009 gab ich dann, nach einem Gespräch mit meinem Mann, Ivan, den Impuls in die Gruppe, eine gemeinnützige Organisation zu gründen. Diese sollte sich um Kinder, ihre Rechte und um Bildung drehen. Der Fokus lag zunächst in Mexiko, da dies der gemeinsame Nenner war. Die Begeisterung und das Engagement aller Mitglieder waren groß, so fand bereits kurz darauf, organisiert durch ein Gruppenmitglied, ein erstes Benefizkonzert in der Schweiz statt, mit dessen Einnahmen erste kleinere Projekte in Mexiko realisiert werden konnten.

Aida S. Rodriguez

Um sich eine erste Orientierung zu verschaffen, war ich ins zentrale Hochland Mexikos gereist und lernte dort verschiedene Schulen kennen, die mit der Unterstützung von gemeinnützigen Organisationen aus aller Welt entstanden waren. Besonders inspiriert haben mich seinerzeit Schulkonzepte, die den Kindern in ihren Heimatdörfern Perspektiven eröffneten, indem den Kindern Zugang zum Erlernen von Fertigkeiten gegeben wurde, die ihnen halfen, vor Ort ihren Lebensunterhalt zu erwirtschaften und ihre Kultur zu bewahren. Das verhinderte Landflucht und ein abdriften in die Kriminalität. In erster Linie aber bekamen die Kinder in der Schule zumindest eine warme Mahlzeit am Tag, was leider keine Selbstverständlichkeit in der Region war.

Bei meiner Reise lernte ich auch Limontítan kennen, ein indigenes Dorf mitten im Nirgendwo. Die Lebensumstände der Menschen, aber insbesondere der Kinder haben mich zutiefst berührt. Keine medizinische Versorgung, kein Zugang zu Bildung, kein Zugang zu sauberem, geschweige denn fließendem Wasser. Kinder, die sich einzig von Tortilla, Bohnen und Kaffee ernährten und nicht selten Opfer skrupelloser Menschenhändler wurden, die den Familien, insbesondere für ihre Töchter, ein besseres Leben in der Stadt versprachen, waren und sind keine Seltenheit.

Mit einem Gepäck voller Eindrücke und dem unbedingten Willen etwas zu bewegen, reiste ich in die Stadt zurück. Später fand ein erstes Projekt von Madrina Sophia in Limontítan statt.

Was genau war dieses Projekt?

Aktion »Freude schenken!«

Es hatte mich nachhaltig beeindruckt, dass ich während meines Aufenthaltes im Dorf kein einziges Kind habe lachen sehen. Sie hatten verständlicherweise wenig Vertrauen in uns für sie fremde Menschen. Ich hatte zuvor bereits in Brasilien viel Elend gesehen, aber diese Trauer war anders und ging mir sehr nahe.

Bei der Aktion ging es darum mit den Bewohnern ins Gespräch zu kommen und ihre Nöte sowie drängendsten Bedürfnisse kennenzulernen. Für die Kinder haben wir zeitgleich einen Tag der Freude und des Spiels organisiert. Begleitet wurden wir dabei von einer lokalen Organisation, die sich für die Rechte von Frauen einsetzt. Sie verhalfen daneben Jugendlichen eine Arbeit zu finden, insbesondere im gemeinnützigen Bereich. So kam Eins und Eins zusammen, die Jugendliche haben begleitet durch ihren Lernbegleitenden und Mitgliedern von Madrina Sophia im Rahmen ihrer Ausbildung mit den Kindern gespielt und die Daten erfasst.

Kinder bei der Aktion »Freude schenken!«

Im Vordergrund der Arbeit von Madrina Sophia sollten schon damals Bildung, Kinderrechte und der interkulturelle Austausch stehen. Doch erst seit 2016 ist Madrina Sophia ein eingetragener Verein und hat eine klare Ausrichtung.

Woher kommt eigentlich der Name Madrina Sophia?

Madrina bedeutet auf Spanisch »Beschützerin« oder auch »Patin« bzw. »Schutzpatronin«. Sophia wird gerne die Bedeutung »die Weise« oder »die Wissende« nachgesagt. Mir war es wichtig, dass der Bezug zu Bildung herausgestellt ist. Damals verstarb außerdem die neugeborene Tochter einer damaligen Freundin, die sich ebenfalls in der StudiVZ-Gruppe sowie in der Organisation engagierte. Ihre Tochter trug ebenfalls diesen Namen.

Die deutsche Schreibweise des Namen Sophia im Kontrast zum spanischen Wort Madrina sollte das Interkulturelle bzw. die Verbindung zwischen den Kulturen Lateinamerikas und jene des deutschsprachigen Raumes aufgreifen und widerspiegeln.

Was ist der Zweck/Ziel des Vereins?

Wir haben es uns mit Madrina Sophia e. V. – spätestens seit Eintragung ins Vereinsregister – zur Aufgabe gemacht, uns insbesondere für das Recht von Kindern auf freie und selbstbestimmte Bildung sowie gewaltfreien Umgang in Deutschland und Lateinamerika, vor allem in Mexiko und Brasilien, einzusetzen und den interkulturellen Austausch voranzutreiben.

Wie erreicht ihr diesen?

Zu diesem Zweck gründen wir unter anderem interkulturelle Schulen und Kindertageseinrichtungen, die Bindung, den gleichwürdigen Umgang mit jungen Menschen sowie eine selbstbestimmte Bildung in den Vordergrund stellen. Hierfür habe ich 2016 das (anti-)pädagogische Konzept der APEGO-Einrichtungen entwickelt.

Daneben feiern wir interkulturelle Feste, organisieren verschiedenen Veranstaltungen mit dem Ziel den Paradigmenwechsel im Umgang mit jungen Menschen insbesondere im institutionellen Umfeld voranzutreiben und geben auf social media Einblick in unseren Alltag in Schule und Kita.

Was bedeutet APEGO?

Apego bedeutet sowohl auf Spanisch als auch auf Portugiesisch Bindung. Wir stehen zum einem für eine selbstbestimmte Bildung als auch für eine beziehungsorientierte Lernbegleitung ein. Es geht bei APEGO um die Gleichberechtigung von jungen Menschen, aber auch im ihr Recht auf Fürsorge.

Was habt ihr bis jetzt erreichen können? Gibt es Meilensteine?

Zum Schuljahr 2017/2018 konnten wir die APEGO-Schule Berlin als staatlich genehmigte Ersatzschule mit Primarstufe und Hort in Betrieb nehmen. Ein Jahr später folgte die Genehmigung der Sekundarstufe I, welche wir im Rahmen der Gemeinschaftsschule zum Schuljahr 2019/2020 starteten. Zum Februar 2021 kam noch die APEGO-Kita Berlin hinzu.

Im vergangenen Jahr feierten wir unser fünfjähriges Bestehen und damit das Ende der sogenannten Wartefrist. Diese beträgt im Land Berlin fünf Jahre. In dieser Zeit erhielten wir als Schule in freier Trägerschaft keine finanziellen Zuschüsse. Diese Phase zu überstehen, insbesondere inmitten der Covid-19-Pandemie, war die größte Herausforderung für unseren Verein.

Das Gebäude der APEGO-Einrichtungen am Tag der 5-Jahres-Feier.

Habt ihr Schulen oder Einrichtungen im Ausland gegründet?

Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es keine Einrichtungen unter der Trägerschaft von Madrina Sophia e. V. in Lateinamerika. Allerdings hat ein Mitglied und ehemalige Mitvorständin des Vereins, Nadine Mager, Glückskind in Mexiko Stadt gegründet. Die Einrichtung an zwei Standorten hat ebenfalls 2016 ihre Reise begonnen und beherbergt heute eine Grundschule und zwei Kitas. Wir, die Gründerin von APEGO und die Gründerin Glückskind, hatten erst vor Kurzem ein Treffen, in dem wir beschlossen, künftig stärker zu kooperieren und uns zu vernetzen. Wir teilen viele wichtige Werte und einen gemeinsamen Startpunkt ...

Wie viele Mitglieder hat der Verein?

Der Verein hat ca. 15 aktive Mitglieder.

Wie können Interessierte, neben einer Mitgliedschaft, euch unterstützen?

Tatsächlich freuen wir uns aktuell insbesondere über Spenden. Seit diesem Schuljahr ist unsere erste Schule endlich aus der fünfjährigen Wartefrist raus. Diese ist in Berlin einmalig lang und bedeutet, dass wir für die Gründung sowie zur Überbrückung dieser ersten Zeit einen umfangreichen Kredit haben aufnehmen müssen. Diesen zahlen wir nun zurück. Das alles bedeutet eine enorme finanzielle Belastung und schränkt unsere Möglichkeiten massiv ein. Dabei wollen wir noch viel bewirken mit Madrina Sophia e. V.

(Unsere Kontodaten: Madrina Sophia e. V., IBAN: DE89 4306 0967 1196 3072 00, BIC: GENODEM1GLS, GLS Gemeinschaftsbank eG)

Welche Frage würdet ihr gern gestellt bekommen und beantworten?

Werdet ihr noch weitere Schulen und/oder Kitas gründen? Wo?

Werdet ihr?

Es ist ein großer Wunsch weitere Einrichtungen zu eröffnen. APEGO und auch Madrina Sophia wurden gegründet, um Kindern Gehör zu verschaffen. Ich möchte zeigen, dass es möglich ist, Kindern, auch im institutionellen Umfeld, ohne Erziehung und dafür in gleichwürdiger, also in gleichberechtigter und fürsorglicher Beziehung, zu begegnen und begleiten.

Aktuell steht leider jedoch die Rückzahlung des Kredites zur Überbrückung der Wartefrist im Vordergrund. Wir werden diese Zeit zur Standortanalyse und Vorbereitung weiterer Gründungen nutzen.

Madrina Sophia e. V.

Gründungsjahr: 2009; Eintrag ins Vereinsregister 2016

Sitz: Berlin

Aktionsraum: Deutschland, insbesondere Berlin, und Lateinamerika

Mitgliederzahl: 15

Vorstand: Aida Suerdieck, Daniela Wolf, Ivan Rodriguez

Kontakt: office@madrinasophia.de

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